Am 1. Fastensonntag des Heiligen Jahres 2000 hat
Papst Johannes Paul II. in Rom als Oberhaupt der Kirche Gott
öffentlich für die Verfehlungen der kirchlichen Gemeinschaft
in ihrer Geschichte um Vergebung gebeten. Bestandteile dieses
Bekenntnisses waren unter anderem sechs spezielle, auf konkrete
Felder bezogene Schuldeingeständnisse, die von Kardinälen
und Kurienvertretern ausgesprochen wurden. Das Schuldbekenntnis
des Papstes, ein Novum in der Kirchengeschichte, hat weltweit
ein großes Echo und viel Zuspruch erfahren.
Überall, wo Menschen in der Geschichte handeln, sind Irrtümer,
fehlerhaftes Verhalten, Sünde und Schuld wirkmächtige
Realität - auch im Bereich der Kirche. So zieht sich ungeachtet
aller guten Vorsätze und trotz bestens Willens nicht nur
der Amtsträger eine Spur von Schuld und Versagen durch
die Kirchengeschichte. Daher hat Johannes Paul II. im Sinne
einer "Reinigung des Gedächtnisses" - keineswegs
zu verwechseln mit bloßem Sich-Rein-Waschen, Verdrängen
oder Vergessen - für das Heilige Jahr dazu aufgefordert,
die "Kirche möge sich ... vor Gott hinknien und für
die vergangenen und gegenwärtigen Sünden ihrer Kinder
um Vergebung bitten" (Bulle "Incarnationis mysterium",
11). Angestrebt ist eine selbstkritische Auseinandersetzung
mit der eigenen, durch Sünden und Verfehlungen belasteten
Vergangenheit: Wir "können ... uns nicht um die Frage
drücken, wo unsere Verantwortlichkeiten liegen" (Johannes
Paul II., Ansprache und Vergebungsbitten, 12. März 2000).
Ziel ist eine "versöhnte Erinnerung" an die Wunden,
welche die Kirche sich selbst und anderen zugefügt hat,
verbunden mit der Bitte und Hoffnung auf echte Umkehr. In seiner
Ansprache vom 12. März 2000 führte der Papst zusammenfassend
aus: "Wir bitten um Vergebung besonders für die Spaltungen,
die unter den Christen vorgekommen sind, für die Gewalt,
die einige im Dienst der Wahrheit ausgeübt haben, sowie
für die misstrauische und feindselige Haltung den Anhängern
anderer Religionen gegenüber" (ebd.).
Man hat im Vorfeld der Vergebungsbitten indessen auch ernst
zu nehmende Bedenken vorgebracht. Ein Einwand zielte dahin,
dass die Kirche wie jede andere Institution nicht sündigen
kann, da Sünde stets ein personaler Akt ist, also immer
nur vom einzelnen Menschen begangen werden kann. Vor diesem
Hintergrund spricht das Schuldbekenntnis von den Verfehlungen
"der Christen von gestern", "aller Gläubigen"
u.s.w. Tatsächlich geht es um "persönliche Sünden,
erschreckendes Versagen, unangemessenes und unverantwortliches
Handeln ... [der] Glieder und ... Repräsentanten der Kirche"
(Gerhard Ludwig Müller). Lediglich in einem mittelbaren
Sinne kann man daher von den Sünden der Kirche sprechen,
"besonders wenn sie von denen begangen wurden, die ermächtigt
waren, in ihrem Namen zu handeln" (Ders.). Das dabei verursachte
Leid und die Missachtung der menschlichen Würde sind sehr
viel zahlreicher gewesen, als es die spektakulären, oft
genannten Beispiele von Fehlverhalten wie im Fall Galilei aufzuzeigen
vermögen.
Eine besondere Schwierigkeit im Hinblick auf begangene Sünde
und Schuld liegt in ihrer konkreten Beschreibung, speziell in
historisch urteilender Hinsicht. Selbst ausgeklügelte historische
Forschung vermag immer nur Teilantworten zu geben und zu relativen
Wahrheiten mit mehr oder weniger Plausibilität zu gelangen.
Historische Sachverhalte sind in ihren Einzelheiten und Hintergründen
in zeitbedingte menschlich-soziale Bedingheiten, Prägungen,
Denkweisen eingebettet und weisen damit eine Komplexität
auf, die - übrigens auch wegen Quellenmangels - eine letztgültige
und verbindliche Erklärung unmöglich macht. Zudem
war die Kirche der vergangenen Jahrhunderte so eng mit der Gesellschaft
verflochten, dass oft nicht zu unterscheiden ist zwischen der
Schuld, die Christen als Glieder ihrer Kirche begangen haben,
einerseits sowie den gesellschaftlich bedingten Verfehlungen
andererseits. Das päpstliche Schuldbekenntnis versucht
dieser Gefahr zu entgehen, indem es zwar bestimmte Gruppen wie
Frauen, Juden und "Zigeuner" anspricht, ansonsten
aber auf die Benennung konkreter historischer Fakten verzichtet.
Neben den vom Papst aufgezählten Gruppen haben Bischöfe
und Erzbischöfe, die für ihre Diözesen ein ähnliches
Bekenntnis wiederholten, auf weitere Personengruppen Bezug genommen.
So nannte Kardinal Mahony von Los Angeles ausdrücklich
die Schuld der Kirche gegenüber Homosexuellen, der organisierten
Arbeiterschaft und wiederverheirateten Geschiedenen.
An dieser Stelle soll das Thema "Schuld der Kirche in der
Geschichte" anhand einiger ausgewählter Aspekte schuldhaften
Verhaltens im Erzbistum Köln aufgezeigt werden. Man mag
diese Beispiele in Anlehung an das Bekenntnis des Papstes den
dort angesprochenen Bereichen von Schuld im Verhältnis
zu den Juden, im Dienst der Wahrheit, gegen die Würde der
Frau sowie Verfehlungen gegen die Rechte der Völker und
Achtung der Kulturen und Religionen zuordnen. Die Bearbeiter
der Ausstellung verschweigen nicht, dass sie bei der Auswahl
geeigneter Objekte auf die gleichen Schwierigkeiten gestoßen
sind, wie sie oben skizziert wurden: Bei genauer inhaltlicher
Betrachtung ist es durchweg schwierig oder gar unmöglich,
von eindeutiger Schuld der Kirche zu sprechen. Auch soll hier
ausdrücklich kein Urteil über die bei den gezeigten
Sachverhalten beteiligten Personen gefällt werden. Vielmehr
steht die jeweilige historische Situation im Mittelpunkt, in
der Verfehlungen im kirchlichen Kontext - jedoch nicht im Namen
der Kirche - begangen worden sind.
Aktuelle Informationen zum Thema Missbrauch und Schuld der Kirche finden sie auch auf www.katholisch.de.