Im Rahmen der Pfarrgemeinde
begegnet der einzelne Gläubige der Kirche vor Ort und ist damit
hineingenommen in eine der vielen Teilkirchen, die in Ihrer Summe
letztlich die Gesamtkirche bilden - eine Vorstellung, der eine jahrhundertelange
Entwicklung zugrunde liegt.
Das Christentum war ursprünglich eine Stadtreligion: Die ersten
christlichen Gemeinden entstanden in den Städten des Römischen
Reiches. Die Leitung der Gemeinde und der Pastoral nahm der jeweilige
Bischof wahr, unterstützt durch weitere Kleriker. Die Bischofskirche
bildete den Mittelpunkt des religiösen Lebens. In Köln
ist im Bereich des heutigen Doms eine Kirchenanlage des 4. Jahrhunderts
nachweisbar, die diese Funktion besaß. Mit dem Fortschreiten
der Christianisierung und dem Vordringen des Christentums in ländliche
Gebiete kam es auch zu einer Weiterentwicklung der Seelsorgestrukturen:
Mehr oder weniger selbstständige Zentren prägten sich
aus, die von Priestern im Auftrag des Bischofs geleitet wurden.
Seit dem 6. Jahrhundert taucht hierfür der lateinische Begriff
für Pfarrei, "parochia", auf, während die moderne
Forschung den Begriff "Urpfarrei" geprägt hat. Zu
den Pfarrkirchen gehörige Pfarren im eigentlichen Rechtssinn,
die einen genau umschriebenes Gebiet umfassen, sind im Rheinland
indessen erst um 800 zu erkennen. Gleichwohl können bereits
für die Jahrhunderte davor seelsorgliche Einflussgebiete schemenhaft
erschlossen werden, wie etwa der Sprengel von St. Severin in Köln
oder der Zülpicher Urpfarrei St. Peter.
Die weitere Entwicklung ist von mehreren Komponenten geprägt:
Rechtlich wurde der sogenannte Pfarrzwang zunehmend fixiert; die
Gläubigen waren verpflichtet, sich für den Sakramentenempfang,
die gottesdientlichen Verpflichtungen und das Begräbnis an
die zuständige Pfarrkirche zu wenden. Hinzu trat das Zehntrecht
der Pfarreien. Das Eigenkirchenwesen (v.a. 7./8.-11. Jh.), in seiner
Fortschreibung die Inkorporation ("Einverleibung" einer
Pfarrkirche durch eine juristische Person, z.B. ein Kloster) und
das Patronatsrecht (beginnend im 11. Jh.) sicherten den Eigentümern
bzw. Patronen einer Pfarrkirche weitgehende Einflüsse hinsichtlich
der vermögensrechtlichen Fragen, des baulichen Unterhalts der
Kirche und vor allem bei der Bestellung der Pfarrer. Als Herren
über eine Kirche konnten Laien (Herrscher, Adelige) ebensogut
auftreten wie Stifte oder Klöster. Folglich war eine wachsende
Zahl von Pfarrkirchen der Verfügungsgewalt des Bischofs entzogen,
der damit auch in der Wahrnehmung der obersten Seelsorgeleitung
blockiert war. So konnte zum Ende des 18. Jahrhunderts der Kölner
Erzbischof beispielsweise von den 900 bis 1000 Seelsorgeeinheiten
seines Bistums lediglich 40 Pfarreien frei besetzen. In diesem Zusammenhang
stellt auch das heute modern anmutende Pfarrerwahlrecht, das sich
selbstbewusste Bürger vorwiegend in städtischen Pfarreien
des hohen und späten Mittelalters erstritten, lediglich eine
Spielart des Patronatsrechtes dar. Der Patron wurde in diesem Fall
von der Gesamtheit der Pfarrangehörigen verkörpert, meist
vertreten durch die Begüterten und Vornehmen der Gemeinde.
Bis vor wenigen Jahrzehnten war - seit dem frühen Mittelalter
- ein nahezu ununterbrochenes Anwachsen der Zahl von Pfarrgemeinden
zu beobachten, das lediglich in unterschiedlichen Wellen verlief.
Schon früh gab es im Rheinland ein flächendekendes Pfarrnetz,
und am Vorabend der Säkularisation bestanden im damals größeren
Erzbistum rund 900 bis 1000 Pfarreien - etwa 100 bis 200 mehr als
heute. Die letzten größeren Wellen von Pfarrerrichtungen
waren in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in der
Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen.
Wohl in nur wenigen Bereichen sind die Umbrüche, welche derzeit
die gesamte Kirche erfassen, so gut spürbar wie auf dem Gebiet
der Pfarrstrukturen. Erstmals seit mehr als anderthalb Jahrtausenden
kommt es Ende der 1990er Jahre zu einer Rückbildung der Seelsorgsstrukturen,
beginnend mit vermehrten Zusammenlegungen und Aufhebungen von Pfarreien
im Erzbistum Köln. Gleichzeitig ist bei Seelsorgern wie Gläubigen
ein Rückzug aus Pfarreien in Bereiche der Sonderseelsorge hinein
feststellbar. Die traditionelle Organisation der Seelorge in Pfarrstrukturen
erweist sich heute vor allem in städtischen Zentren als schwierig,
eine vollkommene Umkehrung der Anfänge, liegen doch die Ursprünge
der Pfarrei in der seinerzeit "modernen" Seelsorgsorganisation
spätantiker Städte.
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Bruchhausen (bei Linz a. Rhein), Pfarrkirche
St. Johann Baptist, 13.-16. Jh. |
Pfarrhaus zu Widdersdorf. Die Pfarrei
war einst der Abtei Brauweiler inkorporiert. |
Innenraum der Kirche St. Johann Bapt.
und Petrus in Bonn, 1879-1884 errichtet nach Plänen von
Heinrich Wiethase. |
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