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G.
"Verwalteter Glaube":
Die Arbeit des Generalvikars im 17.und 18. Jahrhundert
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Kirchliches
Leben ist schon seit frühester Zeit auch durch Rechtsvorschriften
geordnet und durch Verwaltungsmaßnahmen geregelt worden. Das
geschah anfangs durch Konzilien oder Bischofssynoden. Erst im Verlaufe
der Ausformung des päpstlichen Primats kam es zu einer Vereinheitlichung
und Zentralisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Bahnbrechend
wurde das nach den canones der Rechtssammlungen so genannte kanonische
Recht, das insbesondere seit dem 12. Jahrhundert entwickelt wurde.
Es überlagerte und verdrängte schließlich in Deutschland
germanische Rechtsvorstellungen, von denen z. B. das sog. Eigenkirchenrecht
der mächtigen Grundherren besondere Berühmtheit erlangt
hat. Während aber das kirchliche Recht modernen Stils im 16.
Jahrhundert schon weit ausgeprägt war, krankte die Verwaltung
noch lange an strukturellen Schwächen. Dem Erzbischof, der
sich aufgrund seiner Doppelfunktion als weltlicher Landesherr und
geistlicher Vorsteher seines Bistums um die kirchlichen Belange
"vor Ort" kaum kümmern konnte, fehlten die Einflussmöglichkeiten
auf die praktische Verwaltung und Seelsorge. So hatte er für
den weitaus größten Teil der Pfarreien keinerlei Möglichkeit
zur Besetzung der Pfarrstellen. Die althergebrachten Zwischengewalten,
vor allem die Archidiakone, übten teilweise bischöfliche
Rechte aus.
Um so bemerkenswerter ist es, dass im 17. Jahrhundert die heute
bekannten Verwaltungsämter, insbesondere das des Generalvikars,
an Einfluss und Bedeutung gewannen. Diese Entwicklung fällt
zugleich in jene Zeit, in der zahlreiche Reformen im Erzbistum zur
Durchführung kamen, zunächst noch primär zum Schutz
gegen reformatorische Einflüsse, später dann in Form einer
spürbaren und weitreichenden konfessionellen Festigung. Sie
erst hat die Verinnerlichung von gemeinschaftlichen Glaubens- und
Lebenshaltungen im Volk bewirkt, die teilweise noch bis in die Gegenwart
spürbar ist; als Stichworte seien die regelmäßigen
Visitationen, die Ausbildung und Lebensweise des Weltklerus, die
Sorge um die Kirchen und ihre Ausstattung, die Förderung der
Liturgie oder der Aufbau sowie die Pflege von Bruderschaften und
Schulen auch außerhalb der großen Zentren genannt. So
konnten Generalvikare wie Johann Arnold de Reux (1704-1730) oder
Johann Philipp von Horn-Goldschmidt (1763-1796) in Vertretung ihrer
Erzbischöfe zu weitgehend uneingeschränkten geistlichen
Verwaltern und Gestaltern im Erzbistum werden. Indes verfügten
sie nicht wie ihre Nachfolger in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts über nennenswerte zentral einsetzbare finanzielle
Mittel. So kann man sich z. B. die Amtsräume des Generalvikars
nicht bescheiden genug vorstellen; ein Dienstgebäude im Stile
späterer Zeiten gab es nicht. Nicht selten erforderten die
intensiven Visitationen in den damals weiträumig gestreuten
Pfarreien bzw. Seelsorgestellen wegen der Umständlichkeit des
Reisens viele Wochen bis Monate der Abwesenheit aus Köln.
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Johann Philipp von Horn-Goldschmidt, Generalvikar von Köln
1763-1796. |
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