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2. Gelebter Glaube: Frömmigkeit und Religiosität im (Erz-) Bistum Köln vorherige Seite nächste Seite
Nachdem im ersten Abschnitt mit dem (Erz-)Bistum und seinen (Erz-)Bischöfen eher der äußere Rahmen im Mittelpunkt stand, in dem sich die kölnische Kirchengeschichte entfalten konnte, geht es im Folgenden vor allem um die inhaltliche Ausfüllung dieses Rahmens, den gelebten Glauben – dies in dem Bewußtsein, dass beide in wechselseitiger Abhängigkeit und Beeinflussung stehen.

Wie alles im Leben unterliegen auch Religiosität und Frömmigkeit als gelebter Glauben dem historischen Wandel und bieten sich daher für eine historische Betrachtungsweise geradezu an. Dabei zeigt sich neben Fortbestand über lange Zeiträume hinweg auch plötzlicher Wandel; spezifische Äußerungen von Frömmigkeit treffen auf regional, zeitlich und sozial höchst unterschiedliche Akzeptanz und Gültigkeit, auch auf kirchenoffizieller und lehramtlicher Seite. Zwischen der Frömmigkeitsgeschichte und der allgemeinen historischen Entwicklung gibt es bedeutsame gegenseitige Beeinflussungen.

Wie das Begriffspaar "Frömmigkeit und Religiosität" genau zu definieren sei, darüber lässt sich trefflich streiten, und bereits die Begriffsgeschichte würde sehr tief in das Thema einführen. "Frömmigkeit" meint biblisch die innere Grundhaltung des Menschen vor Gott, vor allem in der Antwort des Menschen auf Gottes Wort und Wirken, die sich in Glaubensverkündigung, Gottesdienst (Liturgie), Dienst am Nächsten (Diakonie) und Gemeindebildung niederschlägt. Zugleich konstituiert sich so erst Kirche, deren Grundfunktionen diese vier Bereiche umschreiben. Es geht also um das Ganze des Verhaltens gläubiger Menschen vor Gott. Erst im 18. und 19. Jahrhundert wird mit "Frömmigkeit" religiöses Gefühl umschrieben, das von Ehrfurcht und Demut geprägt ist. Damit bekommt der Begriff auch subjektive, emotionale Aspekte. Demgegenüber wird "Religiosität" einerseits mehr im Sinne von objektiven, grundlegenden Vorstellungen, andererseits als Vollzug von Religion definiert, wobei dann kaum noch eine Unterscheidung zur "Frömmigkeit" gegeben ist. Daher ist es sinnvoll, beide Ausdrücke nicht in strenger Abgrenzung voneinander zu sehen, sondern als Begriffspaar, das eine umfassende Bezeichnung des Gemeinten liefert.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im Folgenden zehn verschiedene Bereiche aufgeführt, in denen sich Frömmigkeit und Religiosität niederschlagen und von denen manche überhaupt erst aufgrund bestimmter Frömmigkeitsformen oder -vorstellungen zustande gekommen sind. Trotz dieser themenbezogenen und keineswegs alle Aspekte berücksichtigenden Betrachtungsweise zeigt sich schnell, dass die je zeit- und epochenspezifischen Erscheinungen von Frömmigkeit und Religiosität in allen diesen Bereichen zum Vorschein kommen. Im Längsschnitt ergibt sich so eine Geschichte christlicher Frömmigkeit und Religiosität im Rheinland.

Die markantesten Linien sind mit groben Strichen schnell gezeichnet: Insbesondere im späteren Mittelalter mit seinem "ungeheuren Hunger der Menschen nach Gott" (Lucien Febvre) kam es zu einer starken Verdinglichung und Quantifizierung von Frömmigkeit. Jegliche Form von Schaudevotion erfreute sich großer Beliebtheit; Gebetsleistungen, Reliquiensammlungen u. a. m. wurden nach Zahl und Menge gemessen. Tiefgreifende Einschnitte brachten dann die Reformation und das nachfolgende Zeitalter der Konfessionalisierung. Katholischerseits versuchte man im Gefolge des Konzils von Trient (1545–1563) nachhaltige Reformen umzusetzen; übrigens sind die Trienter Beschlüsse im Kölner Erzbistum nie offiziell verkündet worden. In Übertragung eines entsprechenden kunstgeschichtlichen Epochenbegriffs wird für die folgende Zeit bis ins 18. Jahrhundert gerne von "barocker Frömmigkeit" gesprochen. Unübersehbar ist die Lust des Barocks an möglichst eindrucksvoller Inszenierung und Zurschaustellung der Inhalte – oft auf Kosten derselben – wie auf einer Theaterbühne. Nach erneuten tiefen Umbrüchen in der Zeit der Aufklärung und Säkularisation erlebte die katholische Kirche nicht nur im Rheinland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine ungeahnte Blüte, die von einem hohen Maß an Kirchlichkeit geprägt ist. Die Kirchenbindung des Klerus und der Gläubigen war so stark wie wohl zu kaum einer anderen Zeit. Mit den Begriffen "Katholizismus" und "katholisches Milieu" versucht die Forschung dieses Phänomen zu beschreiben, das in geringen, im Schwinden begriffenen Restbeständen noch bis in unsere Tage fortlebt. Die weitgehende Verdunstung traditioneller Formen von Frömmigkeit und Religiosität scheint geradezu das kennzeichnende, oft schmerzlich empfundene Charakteristikum für die kirchliche Glaubensgemeinschaft in der sogenannten Postmoderne zu sein. vorherige Seite nächste Seite

Petrusstab im Kölner Domschatz


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